Eine Fantasie: Ein perfekter Tag
Kaum etwas beruhigt meine Gedanken so sehr, wie das ziellose Umherfahren - bei Tag und bei Nacht. Ich liebe es, meinen Gedanken ungestört nach zu hängen, kann die Musik nach Belieben regulieren und aus vollem Halse mit singen. Diese höchste Form der Entspannung erreiche ich für gewöhnlich nur, wenn ich ganz allein bin. Hin und wieder ist mir jedoch nach anregender Gesellschaft.
Ich setze mich in mein vollgetanktes, blitzeblank geputztes Auto und fahre los. An der nächsten Tankstelle gönne ich mir einen großen Cappuccino. An diesem perfekten Tag versenge ich nicht Zunge und Gaumen, aufgrund meiner Ungeduld, sondern kann das Kaffee-Getränk sofort genießen, da ich es bereits wohltemperiert überreicht bekomme.
Ich stelle das Getränk in die Halterung, schnalle mich an und zünde eine Zigarette an. Ich nehme einen tiefen Zug und rolle langsam vom Rastplatz herunter. Jetzt kann es losgehen!
Wohin, das weiß ich nicht. Mögliche Routen ergeben sich nach einer
spontanen Eingebung an der nächsten Ampel. Nach etwa vierzig Minuten, in denen
ich ausgiebig meinen Gedanken nachgehangen habe, ist mir nach Gesellschaft. Ich
möchte meinen besten Freund dabei haben, der nicht nur zufällig mal wieder in
der Heimat ist, sondern selbstredend Zeit und Lust hat. Ich habe es nicht mehr weit,
denn unbewusst bin ich in seine Richtung gefahren. Vermutlich habe ich
deswegen an ihn gedacht. Ich warte vor seiner Haustür, er kommt angeschlürft
und wir umarmen uns lange, denn es liegen schon ein paar Monate zwischen unserem letzten Wiedersehen. Wir sehen uns einfach zu
selten, aber unserer Freundschaft tut das keinen Abbruch. Nachdem ich ein
ehrliches Kompliment zu seinem Premium-Bart ausgestoßen habe, steigt er ein und
ich biete ihm einen der letzten Schlücke meines bereits kalten Kaffees an. Er
möchte nicht. Ich lasse darauf das Fenster runter und schmeiße den Becher
befriedigend aus dem Fenster und werfe direkt noch einen alten
Kassenbon hinterher, der meine Augen schon die ganze Zeit belästigt. Mein Freund findet das unmöglich. Genau wie den Rauch meiner Zigaretten. Aber er sagt nichts, weil ich
mir ernsthaft Mühe gebe aus dem heruntergelassenen Fenster zu pusten. Wir quatschen über dies und jenes,
bringen uns auf den neusten Stand. Wir lachen, albern rum und nehmen uns gegenseitig auf den Arm. Ich genieße diese Zeit mit ihm und spüre, wie ich förmlich aufblühe. Diese Momente sind so selten, wie kostbar.
Nach einiger Zeit frage ich
ihn, ob er heut noch was vorhat. Er verneint und ich fahre kommentarlos von der Landstraße auf die nächste
Autobahn. Ich habe ein Ziel im Kopf, nur brauchen wir ein wenig Zeit dafür. Ich
beginne nach einer Weile mein Herz auszuschütten und erzähle ihm, wie super es im Moment läuft.
Die ganze Zeit verzückt uns großartige Musik meiner fantastischen Playlists,
die ich wegen meines bonzenhaften Spotifypremiums auch offline hören kann. Die
tiefe Stimme von Tracy Chapman verwöhnt unsere Ohren. Dann Soha, Johnny Cash
und Konsorten. Die strahlende Sonne blendet mich. Ich wühle meine Fliegerbrille
mit den verdunkelten Gläsern hervor und halte sie meinem Mitfahrer demonstrativ unter die Nase. Während er die Gläser anhaucht, rollen wir Dank Selection Control in äußerst gemütlichem Tempo über die niederländische Grenze. Er hat
seine Brille vergessen und so taucht die Sonne seine sonst so dunkelbaunen Augen in
warmes Karamell. Geil aussehend lassen wir uns weiter von der Fahrt berieseln,
bis unsere Mägen laut aufknurren. Da wir keine Lust haben länger zu warten, halte ich
beim nächsten McDonald's und komme mit frischen, fettigen Pommes und den größten
Burgern, die es zu bestellen gab, aus dem Laden. Er lacht und drückt mir einen frechen Spruch. Wir machen eine Pause. Ich würde ihn gerne ein bisschen fahren lassen,
aber aus unerklärlichen Gründen hat er nie einen Führerschein gemacht. Im Anschluss holt er uns zwei
eiskalte Radler und sich eine billige Sonnenbrille an der Tanke daneben. Das Bier
abgestellt, angeschnallt und fettig gesättigt, geht es weiter. Es ist keine
Feriensaison und ein Dienstag. Wir lachen viel und singen übertrieben
schlecht zu den phänomenalsten Songs mit. Die Straßen liegen gähnend vor uns.
Ich ziehe mein Kleid etwas höher und knubbele es zwischen meinen Beinen zusammen.
Ich gebe Gas und mein angepeilter Zielort wird nun immer dringlicher
ausgeschildert. Wir sind mittlerweile auch schon gute vier Stunden unterwegs.
Keine Beschwerde, ich liebe es. Es ist Nachmittag, als wir ankommen. Er hat immer noch keinen Schimmer und ich lächle zufrieden in mich hinein.
Ich fahre in den Zielort, lasse mein Fenster für die nächsten
vier Minuten herrlichen Nikotinkonsums herunter. Er drückt ebenfalls auf den elektrischen
Fensterheber, um mehr frische Luft herein zulassen. Wir schweigen in stiller
Eintracht und ich merke wie er beginnt mit der Nase zu ruckeln und zu
schnüffeln. Ich lache. Jetzt weiß er was sich nach der nächsten Kurve auftut.
Geile Idee! Er dreht Tracy nochmal auf und ich suche einen Parkplatz. Wir
steigen aus, recken und strecken unsere Glieder. Ich hab ein nervöses Kribbeln
im Bauch. Kann es kaum erwarten die letzten Meter zu nehmen. Ich packe ein, was
ich brauche, schließe das Auto und dann gehen wir los. Nach 200 Metern ziehen
wir uns die FlipFlops von den Füßen, verarbeiten das ungewohnte, jedoch
willkommene Gefühl von Sand unter unseren Füßen und laufen auf das fantastisch
glitzernde Meer zu...