Der einzig Wahre

Wie eine Flutwelle überrollen diverse Trends unsere Gesellschaft. Der Trend kann in jeder beliebigen Form und Farbe auf der Bildfläche erscheinen. Manche gehen so schnell, wie sie gekommen sind. Und manchmal entstehen aus Trends Bewegungen, regelrechte Religionen. Die Medien sind voll von Fitnessgurus, die dem heiligen McFit huldigen. Ihre Opfergabe besteht aus ihrer Freizeit und ihrem Seelenfrieden. Statt Blut unschuldiger Kinder und Jungfrauen trinken sie Eiweiß-Shakes. Die verweigerte Kirchensteuer fließt stattdessen monatlich auf ein großes Konto im Osten Deutschlands. Sie missionieren, wann immer es ihnen möglich ist. Predigen ihre Wahrheit. Für all das schenkt ihnen ihr Gott einen definierten Körper. 

Solche Kulte entstehen immer wieder und überall und lassen sich auf viele andere Lifestyle-Richtungen übertragen. Seit ein paar Jahr sind die Ökos wieder auf dem Vormarsch, Birkenstock ist wieder in (ich habe auch welche, keine echten, aber ich bin selbstverständlich auch ein Konsum-Opfer) ebenso die Selbstwirksamkeits- und Pseudo-Freiheitskämpfer, die in der Hoffnung auf Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben ihre Zukunft für die Gegenwart verkaufen. Ich verurteile nichts davon, dass muss jeder für sich selbst entscheiden. In einer Welt, in der der Glaube an Gott ein politisches Streitthema und irgendwie peinlich ist, ist es nur selbstverständlich, dass sich das nach Struktur sehnende Individuum eine Alternative sucht, welches das Sinnesloch stopft und viele Follower bringt.

Das ist kein Plädoyer für Gott. Auch das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich empfinde den Glauben an Gott nicht peinlich. Im Gegenteil. Ich beneide Menschen, die so tief Vertrauen können und in jeder schwierigen Situation Trost finden. Was ich jedoch ablehne sind Religionen. Ich weiß, ich weiß, das lässt sich nicht so einfach trennen. Religion ist Sinnstiftung, Struktur und Gemeinschaftsbildung. Aber wieso braucht man eine Kirche, eine Moschee, eine Synagoge oder ein Fitnessstudio, um zu Gott zu sprechen? Wieso muss man es der ganzen Welt mitteilen? Wenn man so ein Vertrauen in Gott hat, wieso bekämpft man andere Religionen, andere Gesinnungen, andere Menschen? Wie passt das zusammen? Natürlich spielen auch Kultur, Bildung, politische Stabilität und BIP eine große Rolle bei der jeweiligen Exegese, aber Frieden und Respekt sollten doch durch Dürre und Korruption keinen Abbruch erfahren. Gott hat einen Plan, dachte ich? Gott, wird es schon richten, dachte ich? Wieso müssen wir Kreuzzüge führen und uns gegenseitig abschlachten, wenn doch Gott am Ende wartet und richtet?


Ist vermutlich zu naiv und nicht weit genug gedacht, aber irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass Menschen entweder schrecklich dumm oder so verunsichert und so voller Zweifel sind, dass sie lieber töten als in den Dialog zu treten und sich einzugestehen, dass Gott Glaube ist und es keine rationale Argumentation dafür gibt. 
Vielleicht gebe ich der Religion als Solches zu Unrecht die Schuld. In keinem der religiösen Bücher empfiehlt Gott das Denken einzustellen. Er verbietet auch nicht sich weiterzuentwickeln oder mit der Zeit zu gehen. Er befiehlt nicht goldverkleidete Monumente zu errichten, von denen man ganze Dörfer eine Generation lang satt kriegen würde.  Kirchen sind doch nichts weiter als Spott und Hohn für die ärmsten der Armen. Milliardenbeträge flossen in die Errichtung und Instandhaltung von Kirchen, damit der Bettler sich dort hungrig an seinen Herrn wendet? Zeigt mir die Stelle in der Bibel, dem Koran oder der Thora wo explizit geschrieben steht, vernichte alles um dich herum! Wie kann man sich nur so blind auf die alten Schriften beziehen, die höchst wahrscheinlich von Männern mit ausgeprägten Wahnvorstellungen diktiert worden sind. Es ist doch naiv anzunehmen, dass es seit Mohammed keine Propheten mehr gab? Anders: Waren die Propheten geisteskrank oder sind Geisteskranke eigentlich Propheten? Wo ist der Unterschied zu einem Mann, der behauptet ein brennender Busch würde zu ihm sprechen und einem, der behauptet, der Nachrichtensprecher richtet eine Botschaft an ihn?

Also verachte ich wohl doch nicht den Islam oder das Christentum, sondern den Menschen, weil er es mit Leichtigkeit schafft, die Welt in den Dreck zu ziehen - die Meere, den Sport, eine schöne Fotografie und die Religion. Nichts bleibt verschont, von seiner grenzenlosen Arroganz und seinen Machtallüren. Schon die kleinsten der Kleinen werden in vielen Teilen der Welt instrumentalisiert und indoktriniert ohne jemals die ehrliche Chance zu erhalten, selbst eine Entscheidung zu treffen. Getaufte Säuglinge, beschnittene Kleinkinder, verhüllte Mädchen. Ich möchte jetzt natürlich nicht den gemeinen Pumper mit einem stehengebliebenen und gewaltbereiten Christen vergleichen. Aber im Kern läuft es immer auf dasselbe hinaus: Der Mensch versucht anderen seine subjektive Vorstellung von der Wahrheit, seine eigene Ideologie aufzuwingen. Leben und leben lassen - kaum etwas ist so einfach, wie unmöglich.