Zwei Frauen
Eine
Frau steht aufrecht da, mit geradem Rücken. Sie lächelt warm und zeigt Verständnis.
Verständnis für die Kämpfe der Anderen. Diese ist etwas kleiner. Auf ihren herabhängenden
Schultern liegen ihre zerzausten Haare und in ihrem Gesicht sind die Spuren von
unzähligen, leidvollen Momenten zu erkennen. Sie wirkt verloren in ihrer dunklen,
weiten Kleidung.
Die
beiden Frauen laufen ein ganzes Leben lang einen endlichen, geraden Weg zusammen.
Es gibt keine Hürden. Da ist nur die Schwärze, die verschluckende Dunkelheit, die
sie überwinden müssen. Was vor ihnen liegt, können sie nicht sehen. Jeder Meter
ist eine Überraschung. Keine weiß wie lang der Pfad ist und wann er endet.
Jeder genommene Meter Schatten, eröffnet ihnen gleichzeitig neue Eindrücke, so
dass hinter ihnen mittlerweile abertausende Szenen und Bilder liegen, die in
gleisendes Licht getaucht sind. Die Kleine rennt oft viele, bereits abgelaufene
Meter wieder zurück, als ob sie in dieser Helligkeit etwas suche. Manchmal bleibt sie regungslos stehen und tritt klammernd
auf der Stelle. Wenn es besonders schlimm ist, setzt sie sich sogar für eine
Weile. In solchen Momenten vergisst sie nicht nur die Große, sondern verliert ein
Stück von sich selbst. Die Große geht ihr mitfühlend nach und wartet
beharrlich an ihrer Seite, bis sie es schafft sich zu lösen.
Aus
diesem Grund geraten die beiden oft aneinander. Die Kleine ist stur und müde
vom vielen laufen. Sie ist trotzig und wütend. Sie träumt von der Dunkelheit
und will nicht akzeptieren, wenn es anders kommt, als in ihrer kindlichen, idealistischen
Vorstellung. Sie will sich in die Helligkeit hüllen, an dem Vertrauten festhalten. Die Große ist sehr vernünftig und in solchen Situationen einfach
verärgert und genervt, denn sie weiß, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als weiterzumachen. Sie hat gelernt für die Kleine da zu sein, gleich, ob sie
ihre Motive nachvollziehen kann.
Dieses
Mal ist es besonders arg. Hunderte von Tagen kommen sie schon nicht weiter. Jeder
Tag ohne Veränderung. Die nächste Stunde ist das Ziel. Bitterlich weinend versucht
die Kleine jedes einzelne Bild, jede Sequenz zu begreifen, die hinter ihr liegt.
Doch allmählich ist sie am Ende ihrer Kräfte. Sie vermisst das Geräusch ihres Lachens
und die Leichtigkeit der Zweifelsfreiheit. Nur irgendwo zwischen zurückrennen
und grübeln, hat sie den Mut verloren. Sie möchte für immer verharren. Sich in der Gewohnheit verlieren.
>>Kannst
du mir nicht helfen? Ich schaffe es einfach nicht.<< fragt sie resigniert.
Die
Große steht frustriert hinter ihr, antwortet dennoch bestärkend,
>>Natürlich schaffst du das. Du brauchst mich nicht. Hast du bisher etwas
nicht allein hinbekommen? Lass einfach los!<<
>>Ich
weiß einfach nicht mehr wie...wie kann ich das aufgeben? Das ist doch alles, was
ich habe. Alles, was ich kenne.<<
>>Du
hast mich...und dich.<<
In
der Kleinen tobt ein Sturm. Wilde Dämonen tanzen vor ihrem inneren Auge. Sie weiß,
dass ihr das Festhalten keinen Frieden bringt, aber sie hat Angst vor der Leere,
die das Weitermachen hinterlässt. >>Ich wette, wenn wir wieder ein
bisschen weitergehen, dann sehen wir etwas, dass unsere Herzen erfüllt. Ich
glaube fest, dass es großartig wird.<<
Die
Kleine weint weiter kläglich. Die Große seufzt, setzt sich zu ihr und guckt mit
ihr gemeinsam ins Licht.
>>Wieso
müssen wir immer weitermachen?<< flüstert die Kleine.
>>So
ist es halt, das Leben.<<
>>Es
ist ungerecht.<<
>>Das
ist es, aber du musst lernen das akzeptieren. Das Leben gibt und nimmt - unsere
Aufgabe besteht darin weiter zu machen und nicht den Mut zu verlieren. Wir gehen
nur und gucken, was es sich neues für uns ausdenkt. Und hin und wieder bringt
es dir Glück<<
>>Was
hat das für einen Sinn?<<
Die
Große steht auf und reicht ihr die Hand, >>Komm, lass uns
nachsehen!<<
Die Kleine schaut starr ins Licht, doch irgendwann rappelt sie sich mühsam hoch und ergreift die ihr hingehaltene Hand. Der Abschied beißt sich in ihr Herz, aber sie weiß, dass sie vorankommen muss. Die verknoteten Ketten in ihrem Geist lösen sich nur widerwillig. Die Große verspürt Mitleid und drückt ihre Hand ein wenig fester. Immer wieder will die Kleine sich umdrehen. Um sie abzulenken, setzt die Große an und erzählt ihr eine Geschichte von zwei Frauen, während sie der Schwärze langsam entgegen gehen und das Leben auf sich zukommen lassen.
Die Kleine schaut starr ins Licht, doch irgendwann rappelt sie sich mühsam hoch und ergreift die ihr hingehaltene Hand. Der Abschied beißt sich in ihr Herz, aber sie weiß, dass sie vorankommen muss. Die verknoteten Ketten in ihrem Geist lösen sich nur widerwillig. Die Große verspürt Mitleid und drückt ihre Hand ein wenig fester. Immer wieder will die Kleine sich umdrehen. Um sie abzulenken, setzt die Große an und erzählt ihr eine Geschichte von zwei Frauen, während sie der Schwärze langsam entgegen gehen und das Leben auf sich zukommen lassen.